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Samstag, 16. März 2024

»Sehnsucht« von Friedrich Schiller




Ach, aus dieses Tales Gründen, Die der kalte Nebel drückt, Könnt ich doch den Ausgang finden, Ach wie fühlt ich mich beglückt! Dort erblick ich schöne Hügel, Ewig jung und ewig grün! Hätt ich Schwingen, hätt ich Flügel, Nach den Hügeln zög ich hin.

Harmonien hör ich klingen, Töne süßer Himmelsruh, Und die leichten Winde bringen Mir der Düfte Balsam zu, Goldne Früchte seh ich glühen Winkend zwischen dunkelm Laub, Und die Blumen, die dort blühen, Werden keines Winters Raub.

Ach wie schön muß sichs ergehen Dort im ewgen Sonnenschein, Und die Luft auf jenen Höhen O wie labend muß sie sein! Doch mir wehrt des Stromes Toben, Der ergrimmt dazwischen braust, Seine Wellen sind gehoben, Daß die Seele mir ergraust.

Einen Nachen seh ich schwanken, Aber ach! der Fährmann fehlt. Frisch hinein und ohne Wanken, Seine Segel sind beseelt. Du mußt glauben, du mußt wagen, Denn die Götter leihn kein Pfand, Nur ein Wunder kann dich tragen In das schöne Wunderland.


»Sehnsucht« von Friedrich Schiller


Freitag, 7. Juli 2023

»Dem Ziel entgegen« von Hermann Hesse

Hermann Hesse

»Immer bin ich ohne Ziel gegangen,
wollte nie zu einer Rast gelangen,
meine Wege schienen ohne Ende.

Endlich sah ich, daß ich nur im Kreise
wanderte, und wurde müd der Reise.
Jener Tag war meines lebens Wende.

Zögernd geh ich nun dem Ziel entgegen,
denn ich weiß: Auf allen meinen Wegen
steht der Tod und bietet mir die Hände.«


»Dem Ziel entgegen« von Hermann Hesse (1877 - 1962)


Samstag, 17. Juni 2023

»Die Lösung« von Bertolt Brecht







»Nach dem Aufstand des 17. Juni 1953
Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands
In der Stalinallee Flugblätter verteilen
Auf denen zu lesen war, daß das Volk
Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe
Und es nur durch verdoppelte Arbeit
zurückerobern könne. Wäre es da
Nicht doch einfacher, die Regierung
Löste das Volk auf und
Wählte ein anderes?«


Bertolt Brecht, »Buckower Elegien«



Weblink:

»Die Lösung« von Bertolt Brecht - www.deutschelyrik.de

Brecht-Gedichtband:

Die Gedichte
Die Gedichte
von Bertolt Brecht

Samstag, 24. Dezember 2022

»Weihnachtsabend« von Hermann Hesse


»Am dunklen Fenstern stand ich lang
Und schaute auf die weiße Stadt
Und horchte auf den Glockenklang,
Bis nun auch er versungen hat.

Nun blickt die stille reine Nacht
Traumhaft im kühlen Winterschein,
Vom bleichen Silbermond bewacht,
In meine Einsamkeit herein.

Weihnacht! - Ein tiefes Heimweh schreit
Aus meiner Brust und denkt mit Gram
An jene ferne, stille Zeit,
Da auch für mich die Weihnacht kam.

Seither voll dunkler Leidenschaft
Lief ich auf Erden kreuz und quer
In ruheloser Wanderschaft
nach Weisheit, Gold und Glück umher.

Nun rast' ich müde und besiegt
An meines letzten Weges Saum,
Und in der blauen Ferne liegt
Heimat und Jugend wie ein Traum.«



»Weihnachtsabend« von Hermann Hesse


Gastbeitrag

Poetenwelt-Blog

Samstag, 24. September 2022

»Herbstklage« von Nikolaus Lenau

»Holder Lenz, du bist dahin!
Nirgends, nirgends darfst du bleiben!
Wo ich sah dein frohes Blühn,
Braust des Herbstes banges Treiben.

Wie der Wind so traurig fuhr
Durch den Strauch, als ob er weine;
Sterbeseufzer der Natur
Schauern durch die welken Haine.

Wieder ist, wie bald! wie bald!
Mir ein Jahr dahingeschwunden.
Fragend rauscht es aus dem Wald:
'Hat dein Herz sein Glück gefunden?'

Waldesrauschen, wunderbar
Hast du mir das Herz getroffen!
Treulich bringt ein jedes Jahr
Welkes Laub und welkes Hoffen.«



»Herbstklage« von Nikolaus Lenau, österreichischer Schriftsteller (1802-1850)

Gastbeitrag

Poetenwelt-Blog

Freitag, 15. Juli 2022

»Der Mensch ist frei« von Clemens Brentano



Der Mensch ist frei
Er kann sein Teil sich wählen
Er kann begeistert sein
Er kann die Sterne zählen,
Die mit des Lichtes Schein
Den ewgen Willen Gottes ihm vermählen,

Der Mensch ist frei,
Wo herrlich eine Flamme
Des Schöpfers glüht,
Ob sie vom Schwerte stamme
Ob aus dem Ölzweig blüht,
Da stürzt der Geist
Wie Meerflut aus dem Damme,

Und wenn er gleich manch friedlos Werk zerreißt
So keimt doch Segen aus der Zorngen Streit
Nach ewigen Gesetzen lebt die Zeit.
Und wie Gewitterwolken und die Blitze
Zur Erde niederschmettern
So auch der Krieg.

Weh wer mit feigem Witze,
Ein Obdach unter Eichen sucht vor Wettern,
Die Eiche und der Feige wird getroffen,
Was hat der Feige in der Welt zu hoffen
Er ist schon tot, er war von jeher tot
Und ewig stirbt er, sterben ist sein Leben,
Der sich entzieht dem heiligsten Gebet,
Dem wird kein Gott, kein Sieg je niederschweben.

»Der Mensch ist frei« von Clemens Brentano

Gedichte:

Ausgewählte Gedichte - www.zeno.org

Mittwoch, 13. Juli 2022

»Sonnenuntergang« von Friedrich Hölderlin




Wo bist du? trunken dämmert die Seele mir
Von aller deiner Wonne; denn eben ist's,
Dass ich gelauscht, wie, goldner Töne
Voll, der entzückende Sonnenjüngling

Sein Abendlied auf himmlischer Leier spielt';
Es tönten rings die Wälder und Hügel nach.
Doch fern ist er zu frommen Völkern,
Die ihn noch ehren, hinweggegangen.

Friedrich Hölderlin (1798/99)

Samstag, 25. Juni 2022

»Der Sommer« von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben


Der Sommer, der Sommer,
Das ist die schönste Zeit:
Wir ziehen in die Wälder
Und durch die Au'n und Felder
Voll Lust und Fröhlichkeit.

Der Sommer, der Sommer,
Der schenkt uns Freuden viel:
Wir jagen dann und springen
Nach bunten Schmetterlingen
Und spielen manches Spiel.

Der Sommer, der Sommer,
Der schenkt uns manchen Fund:
Erdbeeren wir uns suchen
Im Schatten hoher Buchen
Und laben Herz und Mund.

Der Sommer, der Sommer,
Der heißt uns lustig sein:
Wir winden Blumenkränze
Und halten Reigentänze
Beim Abendsonnenschein.

»Der Sommer« von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben



Der Sommer

Samstag, 21. Mai 2022

Walther von der Vogelweide und die mittelhochdeutsche Lyrik

Walther von der Vogelweide

Walther von der Vogelweide gilt als der bedeutendste deutschsprachige Lyriker des Mittelalters. Er dichtete in mittelhochdeutscher Sprache.

Das Werk von Walther von der Vogelweide ist nicht nur das umfangreichste, sondern auch das vielseitigste in der mittelalterlichen Lyrikgeschichte.


Walthers literaturgeschichtliche Besonderheit liegt darin, dass er alle in der mittelhochdeutschen Lyrik vertretenen lyrischen Genres aufgreift: Minnesang, Spruchdichtung, religiöses Lied, politische Dichtung und in jedem dieser Genres innovativ war.

Mittelalterliche Dichter scheinen sich an Gattungskonventionen gehalten zu haben, bzw. die Schöpfung einer neuen Gattung wurde bewusst vorgenommen und von den Zeitgenossen auch als solche wahrgenommen.

Walther von der Vogelweide gehört zu den Autoren des Mittelalters, die auch in der Moderne gut bekannt und geschätzt sind. Seine Liebeslieder und seine politische Lyrik gelten noch heute als aufregend "modern", gar "revolutionär". Sie sind "gewiß nicht nur Studierstoff, sondern poetischer Reizstoff, Leuchtstoff, Erregungsstoff, Wirkstoff" (Rühmkorf).

Sonntag, 14. November 2021

»Der Herbst des Einsamen« von Georg Trakl




Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.

Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.

Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
Und Engel treten leise aus den blauen
Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.

»Der Herbst des Einsamen« von Georg Trakl


Gedichte:

Georg Trakl - Sämtliche Gedichte

Donnerstag, 15. Juli 2021

»Abend« von Reiner Maria Rilke



Der Abend wechselt langsam die Gewänder ,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält ;
du schaust und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins , das fällt ;
und lassen dich , zu keinem gnaz gehörend ,
nicht ganz dunkel wie das Haus , das schweigt ,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das , was Stern wird jede Nacht und steigt -
und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben bang und riesenhaft und reifend ,
so dass es , bald begrenzt und bald begreifend ,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.

Rainer Maria Rilke, »Abend«



Dieser Artikel ist nur noch zehn Tage verfügbar!

Samstag, 26. Juni 2021

»Liebeskunst« von Ovid

»Liebeskunst« ist ein Versepos von Ovid. Seine »Ars Amatoria« beruhen auf den Erfahrungen des von Frauen recht begehrten Liebskünstlers Ovid. Ovid, der schwungvolle Dandy, vor dem keine der interessanten Frauen des antiken Rom sicher sein konnte, verdingt sich in diesem Gedicht als Lehrer der Liebeskunst, von der er, wie dieses Buch zeigt, ebenso viel verstand wie von der Dichtkunst.

Er nimmt die Form des Lehrgedichts zum Anlaß, eine ungeheuer witzige Parodie auf der Liebe Lust und Leid zu schreiben. Besonders empfehlenswert ist das Buch deshalb für melancholische Schwerenöter, die aufgebaut werden wollen: "Zuerst soll dich das Vertrauen durchdringen, daß alle Frauen erobert werden können".

Ovids Werk gehört damit zu den Lehrdichtungen wie auch Lukrez es tat, auch zu den Liebesdichtungen, wie seine Amores und letztendlich gewinnt es aus den Erfahrungen des Dichters selbst. Ovid will hier umfassend lehren und informieren, möchte aber auch als Liebesdichter zärtliche Gefühle besingen, ähnlich einer Sappho oder eines Pindar. Ovid zählt bereits zu Lebzeiten zu den meistgelesenen Dichtern seiner Zeit.

Ovid hätte als Verführer der Frauen

befunden, dass Geiz sehr ungeil ist.



Hinweis in eigener Sache:

Materiell Minderbegütete und Gäste der kleinen Penunze

können auch gerne woanders gaffen gehen.

Gern können Sie andere Portale mit Ihrer

nihilistichen Einstellung beglücken!

Dankeschön aber auch für Ihr käuferischess Desinteresse!


Mit gaffenden Grüssen

Ihre Billigheimer Redaktion


"Nun habe ich ein Werk vollendet, das nicht Iuppiters Zorn, nicht Feuer, nicht Eisen, nicht das nagende Alter wird vernichten können. Mit meinem besseren Teil werde ich fortdauern und mich hoch über die Sterne emporschwingen. Mein Name wird unzerstörbar sein und durch alle Jahrhunderte im Ruhm fortleben."

Dieses Selbstbild des Dichters wurde glanzvoll bestätigt. Dante zitierte seinen Schicksalsahnen in der "Göttlichen Komödie" immer wieder. Luther adelte den Poeten 1537 in seinen "Tischreden", und Shakespeare ehrte ihn 1593 in "Der Widerspenstigen Zähmung". "Meister geiler Lüsten" wurde er genannt, Diderot erfreute sich 1760 am "Feuer seiner Leidenschaft".

Den Rest dieses Artikels - fünf Textblöcke - können Sie als
kleines Dankeschön für ihr wertes Gaffen gegen Zahlung von 100 Euro weiterlesen!


Literatur:

Liebeskunst
Liebeskunst
von Ovid

Samstag, 12. Juni 2021

»Das Buch der Lieder« von Heinrich Heine

Das Buch der Lieder



Das »Buch der Lieder« ist Heines berühmteste Gedichtsammlung, sie erschien erstmals 1827 und erlebte noch zu seinen Lebzeiten 13 Auflagen, die er teilweise selber redigierte und veränderte. Das »Buch der Lieder« begründete Heines Weltruhm als Dichter. Es ist seine früheste Sammlung, erschienen 1827.

Das »Buch der Lieder« enthält in fünf Zyklen chronologisch geordnet, 237 Gedichte, das Fazit von Heines lyrischem Jugendleben. Dieses wurde - bei aller Originalität - angeregt von unterschiedlichen literarischen Traditionen. Deren wichtigtste, auch im Selbstverständnis des Autors, ist die des Volksliedes.

Viele der knapp 240 Gedichte wurden vertont, darunter die Lorelei (»Ich weiß nicht, was soll es bedeuten«) oder »Im wunderschönen Monat Mai«. Vielfach greifen sie auf altes Volksliedgut zurück und sind ihrerseits zu Volksliedern geworden.

Das Thema der Lieder, Sonette, Romanzen und Gedichte in freien Rhythmen ist fast ausnahmslos die unerfüllte Liebe, der Schmerz, die Sehnsucht, der Traum. Unerreicht ist ihre Mischung aus Ironie und tiefem Gefühl.

Das Buch der Lieder

Das Buch der Lieder




Heinrich Heine, der deutsche Dichter der Romantik, legt sein wahrscheinlich schönstes Buch vor. In unzähligen Variationen erforscht und durchleidet Heine das wohl intensivste Gefühl des Menschen. Die Angebetete stellt sich dabei in den unterschiedlichsten Gestalten dar, erscheint mal als verlockende Kindfrau, mal als unnahbare Göttin, mal als Dame, "schön und hold", mal als "banges, bekümmertes Weib".


Durch alle Stadien der Liebe, von der ersten Verliebtheit in Kindertagen zum besinnungslosen Taumel der Jugend, über Enttäuschungen, Wirrungen und Verwirrungen des Herzens hindurch, bis hin zur völligen Taubheit desselben, verzaubert uns Heine mit jeder Zeile, jedem Vers aufs Neue und hinterlässt bei seinen Lesern nichts als ein tiefes Säufzen der eigenen Seele.

Heines Gedichte erweichen selbst versteinerte Herzen, angesichts der ehrlichen wie auch hoffnungslosen Zuneigung des Liebenden, und malt uns so ein Bild von der Zerbrechlichkeit der (meist ungleichen) Liebe. Die Eindringlichkeit seiner Verse ist unübertroffen und für mich der unumstritten beste Dichter, nicht nur der Liebeslyrik.

Im Stile der griechischen Poeten ruft Heine im Vorwort die Götter an: "Lasst mich ein Greis werden, der die Jugend liebt und trotz der Altersschwäche noch immer teilnimmt an ihren Spielen und Gefahren!"

Heine Volkslieder zählen zum schönsten Liedgut der Deutschen. "Ich weiß nicht was soll es bedeuten... ", mit diesen Worten beginnt das Lied über die schöne Jungfrau Loreley, durch deren Gesang Schiffer samt Kahn in den Wellen versinkt. Wessen Gedanken wandern bei diesen Strophen nicht zu Homers Helden, der, an den Mast gekettet, dem unwiderstehlichen Gesang der Sirenen lauscht.


Literatur:

Das Buch der Lieder
Das Buch der Lieder
von Heinrich Heine

Videos:

»Das Buch der Lieder« von Heinrich Heine - Youtube - www.youtube.de

»Das Buch der Lieder« von Heinrich Heine - Youtube - www.youtube.de

Sonntag, 24. Januar 2021

»Alles still!« von Theodor Fontane



Alles still! Es tanzt den Reigen
Mondenstrahl in Wald und Flur,
Und darüber thront das Schweigen
Und der Winterhimmel nur.

Alles still! Vergeblich lauschet
Man der Krähe heisrem Schrei.
Keiner Fichte Wipfel rauschet,
Und kein Bächlein summt vorbei.

Alles still! Die Dorfeshütten
Sind wie Gräber anzusehn,
Die, von Schnee bedeckt, inmitten Eines weiten Friedhofs stehn.

Alles still! Nichts hör ich klopfen
Als mein Herze durch die Nacht -
Heiße Tränen nieder tropfen
Auf die kalte Winterpracht

»Alles still!« von Theodor Fontane (1851)


Dienstag, 22. Dezember 2020

»Weihnachten« von Hermann Hesse

Baum im Herbst

»Ich sehn´ mich so nach einem Land
der Ruhe und Geborgenheit
Ich glaub´, ich hab´s einmal gekannt,
als ich den Sternenhimmel weit
und klar vor meinen Augen sah,
unendlich großes Weltenall.
Und etwas dann mit mir geschah:
Ich ahnte, spürte auf einmal,
daß alles: Sterne, Berg und Tal,
ob ferne Länder, fremdes Volk,
sei es der Mond, sei´s Sonnnenstrahl,
daß Regen, Schnee und jede Wolk,
daß all das in mir drin ich find,
verkleinert, einmalig und schön
Ich muß gar nicht zu jedem hin,
ich spür das Schwingen, spür die Tön´
ein´s jeden Dinges, nah und fern,
wenn ich mich öffne und werd´ still
in Ehrfurcht vor dem großen Herrn,
der all dies schuf und halten will.
Ich glaube, das war der Moment,
den sicher jeder von euch kennt,
in dem der Mensch zur Lieb´ bereit:
Ich glaub, da ist Weihnachten nicht weit!«


»Weihnachten« von Hermann Hesse



Gastbeitrag

Poetenwelt-Blog

Freitag, 27. November 2020

»Corona« von Paul Celan




Aus der Hand frißt der Herbst mir sein Blatt: wir sind Freunde. Wir schälen die Zeit aus den Nüssen und lehren sie gehn: die Zeit kehrt zurück in die Schale.

Im Spiegel ist Sonntag, im Traum wird geschlafen, der Mund redet wahr.

Mein Aug steigt hinab zum Geschlecht der Geliebten: wir sehen uns an, wir sagen uns Dunkles, wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis, wir schlafen wie Wein in den Muscheln, wie das Meer im Blutstrahl des Mondes.

Wir stehen umschlungen im Fenster, sie sehen uns zu von der Straße: es ist Zeit, daß man weiß! Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen bequemt, daß der Unrast ein Herz schlägt. Es ist Zeit, daß es Zeit wird.

Es ist Zeit.

»Corona« von Paul Celan

Video: »Corona« von Paul Celan - Youtube Weblink: Corona - www.lyrikline.org

Montag, 23. November 2020

Paul Celan 100. Geburtstag

Paul Celan

Paul Celan wurde vor 100 Jahren am 23. November 1920 als Paul Antschel als einziger Sohn deutschsprachiger, jüdischer Eltern im damals rumänischen Czernowitz in der Bukowina geboren.

Paul Celan, der das Land seiner Sprache nie besucht hat und den die Vergangenheit nie loslies, ist einer der bedeutendsten Dichter der Neuzeit. Paul Celan steht zusammen mit wenigen Autoren wie Primo Levi, Nelly Sachs oder Imre Kertész international herausragend für die Möglichkeit von »Dichtung im Angesicht der Shoah«.

Nach dem Abitur 1938 begann er ein Medizinstudium in Tours in Frankreich, kehrte jedoch bereits ein Jahr später nach Rumänien zurück, um dort Romanistik zu studieren.

1942 wurden Celans Eltern deportiert. Im Herbst desselben Jahres starb sein Vater in einem Lager an Typhus, seine Mutter wurde erschossen. Von 1942 bis 1944 musste Celan in verschiedenen rumänischen Arbeitslagern Zwangsarbeit leisten. Von 1945 bis 1947 arbeitete er als Lektor und Übersetzer in Bukarest, publizierte in diesen Jahren erste Gedichte.

Im Juli 1948 zog er nach Wien und dann nach Paris, wo er bis zu seinem Tod lebte. Im selben Jahr begegnete Celan Ingeborg Bachmann in Wien. Dass Ingeborg Bachmann und Paul Celan Ende der vierziger Jahre und Anfang der fünfziger Jahre ein Liebesverhältnis verband, das im Oktober 1957 bis Mai 1958 wieder aufgenommen wurde, wird durch den posthum veröffentlichten Briefwechsel »Herzzeit« zwischen den beiden bestätigt.

Einer der ersten öffentlichen Auftritte des damals noch weitgehend unbekannten Paul Celan fand im Mai 1952 auf der Tagung der Gruppe 47 in Niendorf statt. Die Lesung kam auf Vermittlung der Wiener Freunde Ingeborg Bachmann, Milo Dor und Reinhard Federmann zustande, wurde allerdings zu einem Misserfolg.

Entdeckt wurde Paul Celan von der »Gruppe 47« 1952 bei einer Lesung. Die Linie der Gruppe war eine schnörkellose Prosa im Stile einer nüchternen Reportage. Celan vertrat eine andere Auffassung von zeitgemäßer Lyrik: "Die Dichtung muss eine graue Sprache haben"

Heinrich Böll setzte sich jedoch entschieden für den Lyriker ein und forderte, daß seine Lyrik Pflichtlekture im Schulunterricht werden sollte.

Im November 1951 lernte Celan in Paris die Künstlerin Gisèle de Lestrange kennen, die er ein Jahr später heiratete. 1955 kam ihr gemeinsamer Sohn Eric zur Welt.

In den 1950er Jahren begann sich Celan mit der Philosophie Heideggers auseinanderzusetzen und auch umgekehrt las Heidegger Celans Werke. Am 24. Juli 1967 begegneten sie sich in Freiburg und unternahmen am Tag danach einen Ausflug zu Heideggers Hütte in Todtnauberg. Todtnauberg wurde auch der Titel eines Gedichtes, das Celan am 1. August 1967 schrieb. Es folgten weitere Besuche und es entstand ein Briefwechsel. Celans Verhältnis zu Heidegger war zwar ambivalent, aber freundschaftlich.

Das Gefühl der Zerissenheit, keine geistige Heimat zu finden, hat ihn nie verlassen. Am 20. April 1970 nahm sich Celan in der Seine das Leben.

Paul Celan-Handbuch:

Celan-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung

Celan-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung von Markus May

Blog-Artikel:

»Corona« von Paul Celan - Poetenwelt

»Todesfuge« von Paul Celan - Literatenwelt-Blog

Samstag, 24. Oktober 2020

»Dichtungen und Briefe« von Georg Trakl



Mit dieser aktuellen Überarbeitung liegt nun eine repräsentative Ausgabe vor, die das dichterische Werk und die wichtigsten Briefe des großen Lyrikers des 20. Jahrhunderts in ansprechender Form vereint.

Die vorliegende Neuausgabe der »Dichtungen und Briefe« von Georg Trakl macht erstmals völlig unbekannte Texte des Lyrikers zugänglich, die in letzter Zeit gefunden wurden.

Dazu zählen 15 Gedichte der »Sammlung Richard Buhlig«, die Marty Bax (Amsterdam) im Archiv der »California State University Long Beach« bei Recherchen entdeckt hat, oder das Gedicht „Hölderlin“, das von einem Wiener Antiquariat angeboten wurde.

Literarische Texte, die erst nach dem Erscheinen der ersten Taschenbuch-Ausgabe veröffentlicht worden sind, sind ebenfalls in diesen Band aufgenommen woren.
Georg Trakl gilt neben Gotfried Benn und Georg Heym als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Epoche des Expressionismus.

Daß Georg Trakl sich auch mit dem literarischen Leben seiner Zeit beschäftigt hat, wird an der Rezension eines Gedichtbandes deutlich. Ein weiterer, bisher unbekannter Brief an Adolf Loos belegt das freundschaftliche Verhältnis zu dem Wiener Architekten.

Literatur:
Dichtungen und Briefe« von Georg Trakl
Blog-Artikkel:

Georg Trakl gilt als einer der bedeutendsten Dichter des Expressionismus - Literatenwelt-Blog

Mittwoch, 14. Oktober 2020

»Vereinsamt« Herbstlied von Friedrich Nietzsche

Parkbank in der Herbstsonne

Die Krähen schrei'n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei'n –
Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!

Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts ach! wie lange schon!
Was bist du, Narr,
Vor Winters in die Welt – entflohn?


Die Welt – ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer Das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.

Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.


Flieg', Vogel, schnarr'
Dein Lied im Wüsten-Vogel-Ton! –
Versteck' du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrei'n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei'n –
Weh dem, der keine Heimat hat! 

»Vereinsamt« von Friedrich Nietzsche


Literatur:

Vereinsamt von Friedrich Nietzsche



Literatur [ >> ]:


von

Sonntag, 6. September 2020

"Über allen Gipfeln ist Ruh …" – Goethes Gedicht wird 240 Jahre alt

Kickelhahn

Heute vor 240 Jahren schrieb Johann Wolfgang von Goethe mit Bleistift das Gedicht "Wanderers Nachtlied" an die Holzwand einer Jagdhütte auf dem Kickelhahn bei Ilmenau in Thüringen.

Über allen Gipfeln
Ist Ruh’,
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! Balde
Ruhest du auch.”


Ergriffen vom Abendlicht über dem Thüringer Wald schrieb Goethe am 6. September 1780 auf dem Kickelhahn sechs Verse an eine Hüttenwand am 6. September 1780 sechs Verse, die als »Wanderes Nachtlied« um die Welt gingen.

Goethe, der insgesamt 28-mal in Ilmenau zu Besuch war, wanderte zwischen 1780 und 1831 mehrmals zum Kickelhahn, meist als Begleiter von Herzog Carl August von Sachsen-Weimar.

Wenige Monate vor seinem Tod, am 26. August 1831, fuhr Goethe in Begleitung seiner beiden Enkel Walther und Wolfgang ein letztes Mal nach Ilmenau und besuchte einen Tag später den Kickelhahn.


Weblink:

"Über allen Gipfeln ist Ruh …" – Goethes Gedicht wird 240 Jahre alt - Klassik Stiftung Blog - blog.klassik-stiftung.de