Sonntag, 10. Dezember 2017

»Die Obstdiebin« von Peter Handke

Die Obstdiebin
Die Obstdiebin

»Die Obstdiebin« ist der Titel des neuen Romans von Peter Handke. Als das »Letzte Epos« (mit großem »L«) hat Peter Handke seinen neuen Roman bezeichnet.

Der Roman spielt in Frankreich in der Zeit nach den Terroranschlägen von Paris und begibt sich auf  Reisen durch ein gezeichnetes Land. Die Reise führt aus der Niemandsbucht, Umwegen folgend, sie suchend, in das Landesinnere, wo die Obstdiebin, »einfache Fahrt«, keine Rückfahrt, bleiben wird, oder auch nicht?.

„Die Welt ist alles, was der Fall ist.“ Mit diesem Bekenntnis zu Realismus und Empirismus beginnt Wittgensteins »Tractatus«. „Die Welt war die Dreiecksgeschichte zwischen einem selber, der Natur und den Anderen!“ (S. 500) heißt es in Handkes Roman »Obstdiebin« - und von dieser „Dreiecksgeschichte“ handelt dieser wunderbare und wundersame Roman.

Es ist eigentlich eine doppelte Reise ins Landesinnere, die Handke erzählt: Zuerst ist es der Ich-Erzähler, der sich, zu Fuß und mit der Bahn, auf den Weg macht von Paris in die Picardie, um dort die 25-jährige Studentin und Weltenbummlerin „Alexia“, die Obstdiebin, zu treffen. Warum und wozu bleibt - natürlich - ungeklärt. Um die Mittagszeit bricht er auf, am Abend dort angekommen, wechselt die Perspektive:

Nun begleiten wir, aus der Perspektive des personalen Er-Erzählers, diese Alexia auf ihrem dreitägigen, erlebnisreichen und ereignisarmen Fußmarsch, ebenfalls von Paris in die Picardie. Sie will ihre Mutter, die „Bankfrau“, die der Handke-Leser bereits aus dem Roman „Der Bildverlust“ kennt, treffen. Tatsächlich kommt es dann ganz zum Ende des Romans zu einer Familienzusammenführung: Es treffen sich auf dem „Vexin-Plateau“ zu einem großen Fest im Zelt die getrennt lebenden Eltern von Alexia und auch ihr 15-jähriger Bruder, der eine Zimmermannslehre absolviert. Nun ist auch der Ich-Erzähler dabei, der von „wir“ und „uns“ erzählt, die beiden Erzählperspektiven werden also am Ende zusammengeführt.

Die Obstdiebin
Die Obstdiebin

Alexia, die Obstdiebin, ist zwar neben Handke selbst die Protagonistin. Dieser anfängliche Ich-Erzähler hat viel mit dem Autor gemein: Ein alter, allein lebender, etwas schrulliger „ungeselliger Geselle“, wohnhaft in einem Pariser Vorort, - der „Niemandsbucht“, wie sie auch hier immer wieder bezeichnet wird - in einem alten Haus mit großem Garten, nebst Obstbäumen.

Ein Mann, der sich als „Illegalen“ bezeichnet, der den Staat ebenso verachtet wie alle kapitalistische Umtriebigkeit, alle großartigen Gesten und Worte, der wütend ist auf die wüste Welt, einsam und trotzig; ein Naturfreund zugleich, den kleinen Dingen und den kleinen Leuten, den Obdachlosen, der Kassiererin, dem afrikanischen Pizza-Ausfahrer zugewandt, ein romantischer Anarchist - alles das trifft auf den Ich-Erzähler wie auf Peter Handke zu.

»Die Obstdiebin« von Peter Handke ist ein ambivalentes Werk, denn es verarbeitet persönliche Erfahrungen vor gesellschaftlichem Hintergrund. Die Stärke dieses wie seiner anderen epischen Großprojekte liegt nicht im weltumspannenden Gestus des Erzählers, sondern in den Passagen, in dem er seinem Doppelgänger den Vortritt lässt, dem Verfasser von Aufzeichnungen und Meister der Prosa des Augenblicks.


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Die Obstdiebin
Die Obstdiebin
von Peter Handke



Weblink:

Peter Handke: Die Obstdiebin oder Einfache Fahrt

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