Freitag, 29. November 2013

»Danzig 1930-1945: Das Ende einer Freien Stadt« von Dieter Schenk

Dieter Schenk

Der Schriftststeller Dieter Schenk, der bereits mehrere Werke über die Stadt Danzig und Krakau vorgelegt hat, hat in akribischer Archivarbeit den Doku-Band »Danzig 1930-1945: Das Ende einer Freien Stadt« herausgegeben. Darin schildert der Historiker anschaulich den Aufstieg, Terror und Ende der NS-Herrschaft in Danzig. Ergänzt wird diese Dokumentation durch zahlreiche, historisch seltene Fotos.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wurde Danzig vom Deutschen Reich abgetrennt, unter Mandat des Völkerbundes gestellt und zur Freien Stadt erklärt. Diese von den deutschen Danzigern nie akzeptierte Entscheidung trug dazu bei, dass die Nationalsozialisten mit ihrem Versprechen, Danzig »heim ins Reich« zu holen, schon ab 1930 zu einer politisch bedeutenden Kraft in der Stadt wurden.

Leidtragende waren in den Folgejahren die polnische Minderheit, die Danziger Juden sowie alle Menschen in Opposition zum Nazi-Regime. Sie wurden schikaniert, unterdrückt, verfolgt, in »Schutzhaft« genommen, vertrieben oder umgebracht. Der Terror verstärkte sich noch nach Kriegsbeginn, der Wiedereingliederung Danzigs ins Reich und der Schaffung des neuen Reichsgaus Danzig-Westpreußen. Abertausende verloren ihr Leben. Am Ende des Kriegs war die Altstadt eine Ruinenlandschaft.
Danzig 1930-1945: Das Ende einer Freien Stadt

Bei seinen Recherchen zu dem Buch widmete Schenk sich nach eigenen Worten sehr dem Alltag in Danzig während dieser Zeit. Viele Informationen holte der Kriminologe sich zudem in akribischer Archivarbeit aus den damaligen Zeitungen Danziger Vorposten und Danziger Neueste Nachrichten. „Bei der Übernahme bestimmter Dinge war natürlich immer größte Vorsicht geboten, denn schließlich handelte es sich um deutsche Zeitungen, die natürlich die Entwicklungen nur aus einem bestimmten Blickwinkel betrachteten“, erklärt Schenk.

Dieter Schenk ist ein deutscher Kriminologe, Historiker und Schriftsteller. Seit 1990 ist er als freier Publizist tätig. Er hat bereits mehrere Bücher zu den Themen Polen, Nationaslsozialismus und Menschenrechte veröffentlicht. Mit seinem neuen Doku-Band kehrt der Historiker an den Ort zurück, wo seine schriftstellerische Entwicklung begann - nach Danzig, wo er durch den Rowohlt Verlag zur Überlegung kam, ein Buch über die Post von Danzig zu schreiben.

Dieter Schenk lebt in Schenklengsfeld und in Berlin.

Weblinks:

Dieter Schenk.info - www.dieter-schenk.info

Akribische Archivarbeit - www.hersfelder-zeitung.de

Danzig 1930-1945: Das Ende einer Freien Stadt
Danzig 1930-1945: Das Ende einer Freien Stadt
- von Dieter Schenk

Die Post von Danzig. Geschichte eines deutschen Justizmords
- von Dieter Schenk

Interview mit dem Autor Dieter Schenk - Printzip - www.printzip.de

Danzig-Weblink:

Danzig, die alte Hansestadt an der Danziger Bucht

Mittwoch, 27. November 2013

»Hundejahre« von Günter Grass

Hundejahre

Der 1963 erschiene Roman »Hundejahre« von Günter Grass ist der dritte und letzte Teil der »Danziger Trilogie«, welche außerdem die Romane »Die Blechtrommel« (1960) und »Katz und Maus« (1961) umfasst.
Grass' Thema in diesem Werk ist die Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts, die er mit burlesken Zügen erzählt.

Der Chronist Grass nimmt den Leser mit in eine Zeitreise der deutschen Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeit. Im Mittelpunkt des Romans stehen die politischen Verhältnisse in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.


Günter Grass erzählt in dem Roman in epischer Breite die ineinander verschachtelte Geschichte zweier sich mehrfach wandelnder Freunde: Eduard Amsel und Walter Matern. Ihr Werdegang wird aus der Perspektive von drei verschiedenen Personen in drei Büchern bzw. Teilen erzählt. Schauplatz der beiden ersten Teile ist die Stadt Danzig, in der Günter Grass geboren wurde und aufgewachsen ist.

Im Alter von acht Jahren schliessen die beiden Blutsfreundschaft. Walter hilft dem fetten Eduard beim Bau von Vogelscheuchen. Später tritt Matern der SA bei und lässt Amsel, den Halbjuden, zusammenschlagen.
Im Schnee eingerollt, ändert Amsel seine Gestalt, zieht nach Berlin und nennt sich fortan Haseloff. Auch Jenny, dem dicken Adoptivkind eines Studienrats, stösst dasselbe zu: Auch sie wird misshandelt und auch sie ändert ihre Gestalt. Später, im Krieg, wird Amsel/Haseloff Jenny nach Berlin holen.

Matern ergeht es hingegen ganz anders: Er wird wegen Führerbeleidigung an die Front geschickt. 1945 wird er aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen. Nun zieht er durch ganz Deutschland und rächt sich an seinen ehemaligen Vorgesetzten, indem er deren Frauen und Töchtern Geschlechtskrankheiten anhängt.
Der entlaufene Hund Hitlers begleitet ihn. Matern nennt ihn Pluto. Die drei treffen sich später in Berlin und versöhnen sich. Amsel zeigt Matern seine Vogelscheuchenhölle und Matern lässt darauf perplex seinen Hund Pluto dort zurück.

Der vor 50 Jahren erschiene Roman »Hundejahre« ist ein brillantes Stück deutscher Nachkriegsliteratur, mit dem Grass seine berühmte »Danziger Trilogie« abgeschlossen hat.

Weblinks:

Hundejahre
»Hundejahre«
von Günter Grass - Illustrierte Jubiläumsausgabe

Hundejahre
»Hundejahre«
von Günter Grass

Günter Grass -Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Sonntag, 24. November 2013

»Im traurigen Monat November wars« - »Deutschland. Ein Wintermärchen«



Heinrich Heine

„Im traurigen Monat November wars,

die Tage wurde trüber,

der Wind riß von den Bäumen das Laub,

da reist ich nach Deutschland hinüber.“


Caput I, erste Strophe


Heinrich Heines berühmtes Versepos »Deutschland. Ein Wintermärchen« ist nach seiner Deutschland-Reise im November 1843, die ihn just „im traurigen Monat November“, von Paris über Aachen und Köln nach Hamburg führte, entstanden.

Heine, der begnadete Spötter, aus dem französischen Exil zurückkehrend, warf einen satirischen Blick auf das Deutschland anno 1843 in flotten Versen, die schon fast Volkslied-Charakter haben. Heine spart hier nicht mit Spott: gezielte Seitenhiebe gehen in die Richtung der Kirche, der Zensur, der reaktionären Politik und des übertriebenen Nationalismus.


Heine lebte seit 1831 in seinem selbstgewählten Pariser Exil. Er hatte so seine Probleme mit seinem Heimatland, fühlte sich zwar in Frankreich wohl, aber hatte sein Leben lang Sehnsucht nach Deutschland. Ende 1843 kehrte er daher noch einmal für wenige Wochen nach Deutschland zurück, um seine Mutter und seinen Verleger Julius Campe in Hamburg zu besuchen.

Auf der Rückreise entstand, zunächst als "Gelegenheitsgedicht", der erste Entwurf zu »Deutschland. Ein Wintermärchen«, den er im Laufe der nächsten drei Monate zu einem höchst humoristischen Reiseepos weiterentwickelte, zu versifizierten Reisebildern, die eine höhere Politik atmen als die bekannten politischen Stänkerreime.

Heinrich Heine

Was hier zunächst als genauer Reisebericht über eine Reise daherkommt, entpuppt sich auf den zweiten Blick als eine bissige politische Satire - ein Epos voller satirischer Spitzen gegen den reaktionären preussischen Staat. Heine prangert dabei recht mokant u.a. die politische Rückständigkeit an, die das in viele Kleinstaaten zersplitterte Deutschland kennzeichnete; die drastischen Zensurpraktiken, mit denen die freie Meinungsäußerung verhindert wurde; sowie die Willkür des Polizeistaats Preußen unter der Herrschaft von Friedrich Wilhelm IV.

Das lyrische Versepos ist in Form einer Reisebeschreibung organisiert; die wichtigsten Stationen sind Aachen, Köln (Kölner Dom), der Teutoburger Wald (Hermannsdenkmal), Minden, Hannover und Hamburg. Jeder Ort wird von Heine mit einem speziellen Thema verknüpft, mit einem spezifischen Aspekt seiner Deutschland-Kritik, z.B. Aachen mit dem stocksteifen preußischen Militär, Köln mit der Kritik an der katholischen Kirche, Hannover mit dem Verfassungsbruch von König Ernst August, Hamburg mit philiströser Geschäftstüchtigkeit etc. Jeder Ort auf seiner Reise durch Deutschland bekommt hier sein Fett weg. Um der drohenden Zensur zu entgehen, wurden die Orte streng mittelalterlich mystifiziert.

Heine war davon überzeugt, daß er mit seinem vor 170 Jahren verfassten "Werkchen" »Deutschland. Ein Wintermärchen« etwas verfaßt hatte, das "mehr Furore machen wird, als die populärste Broschüre, und das dennoch den bleibenden Wert einer klassischen Dichtung haben wird". Recht hatte er. Mit seinem Versepos sollte er zwar in kürzester Zeit die gesamte empörte Presse gegen sich haben, aber auch heute noch ist es aus unseren Bücherschränken nicht wegzudenken.


Weblinks:

 Deutschland. Ein Wintermärchen


Deutschland. Ein Wintermärchen



 Deutschland. Ein Wintermärchen


Deutschland. Ein Wintermärchen




Heinrich Heine-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de


Heinrich Heine-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de



Freitag, 22. November 2013

»Sieben Sekunden« von Don DeLillo

President John F. Kennedy. President and Mrs. John F. Kennedy, and Texas Governor John Connally ride through Dallas moments before Kennedy was assassinated

Vor 50 Jahren, am 22. November 1963, wurde der amerikanische Präsident John F. Kennedy durch ein Attentat in Dallas ermordet. Der 1991 erschienene Roman »Sieben Sekunden« von Don DeLillo ist der Versuch einer literarischen Aufarbeitung des Attentats. DeLillo, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Amerikas, verwebt hier kunstvoll Wirklichkeit und Fiktion zu einer fesselnden Geschichte.

Die Bilder sind unvergesslich: Die Limousine John F. Kennedys am 22. November 1963 in Dallas, der aus dem Hinterhalt tödlich getroffene Präsident, die Verzweiflung der First Lady. Don DeLillo geht den Entwicklungen nach, die dazu geführt haben, dass der mächtigste Mann der Welt, der Präsident mit dem großen Charisma, Opfer eines Underdogs, eines Mannes von der Schattenseite Amerikas wurde.

Lee Harvey Oswald, der eine unglückliche Kindheit hatte, ging im Anschluss an seine Zeit bei den Marines für einige Jahre in die Sowjetunion. Nach seiner Rückkehr in die USA gerät er, enttäuscht vom Marxismus, unter den Einfluss von Leuten, die von der Paranoia des Kalten Krieges geprägt sind. Als Mann voller Widersprüche lässt sich Oswald dafür gewinnen, eine heikle Aufgabe zu übernehmen. Kennedy soll mit einem fingierten Attentat ein Denkzettel verpasst werden.

»Sieben Sekunden« nannte Don DeLillo seinen Roman, in dem er seine Version der Kennedy-Ermordung schildert und gleichzeitig ein Bild von der Schattenseite Amerikas entwirft. Genau diese sieben Sekunden entscheiden bei Oswald darüber, wohin die Waage sich neigt. DeLillo schreibt intelligent, nie langweilig und in wundervoller Sprache - nicht umsonst zählt er zu den bedeutendsten Autoren der amerikanischen Gegenwart und Postmoderne.

Aber eigentlich war Lee Harvey Oswald, der einige Jahre seines Lebens in der Sowjetunion verbracht hat, nur der ideale Sündenbock, den die Polizei und das FBI brauchte, um einen schnellen Fahndungserfolg vorweisen zu können. Die wahren Attentäter sind bis heute weiter im Verborgenen geblieben und warten immer noch darauf - wenn man sie denn fände - literarisch verarbeitet zu werden. - Das wäre schon wieder Stoff für einen neuen DeLillo Roman.

Weblinks:

»Sieben Sekunden« von Don DeLillo

Don DeLillo - Wikipedia

John F. Kennedy-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Donnerstag, 21. November 2013

Nadine Gordimer zum 90. Geburtstag

Vor 90 Jahren wurde die südafrikanische Schriftstellerin Nadine Gordimer am 20. November 1923 in dem Minenstädtchen Springs, Transvaal, geboren. Nadine Gordimer ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Südafrikas und gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit.

Beinahe ihr gesamtes Leben lebte und schrieb sie in einem Südafrika, das von Apartheid gespalten war. Gordimer gehörte in den 1950ern zu einer kleinen Gruppe, die bewusst die damaligen Apartheidgesetze missachtete, um diese zu unterhöhlen.

In ihrer Kindheit früh mit Rassentrennung und Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung konfrontiert, wurde sie zur politischen Schriftstellerin, die öffentlich für die Gleichberechtigung der Schwarzen eintrat. Ihre Bücher standen oft auf dem Index der südafrikanischen Zensur.

Ihre Romane, Erzählungen und Essays behandeln vor allem die südafrikanische Apartheidpolitik und deren zerstörerische Folgen sowohl für die schwarze als auch für die weiße Bevölkerung. 1974 bekam Nadine Gordimer den Booker Prize, 1991 wurde sie mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

In dem Roman "Die Hauswaffe" (dt. 1998) und "None to Accompany Me" (1994) schrieb sie über die veränderten Verhältnisse in Südafrika nach der Apartheid. Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen erhielt sie 1991 den Literaturnobelpreis.

1990 trat die politisch engagierte Schriftstellerin in den "African National Congress" (ANC) ein.
Die UNO ernannte sie 1998 zur Sonderbotschafterin ihres Entwicklungsprogramms (UNDP). Die Schriftstellerin lebt in Johannesburg, Südafrika.

Weblink:

Nadine Gordimer - Wikipedia

Dienstag, 19. November 2013

»Das Glasperlenspiel« vor 70 Jahren erschienen


Hermann Hesse


Hermann Hesses Erzählung "Das Glasperlenspiel" erschien vor 70 Jahren am 18. November 1943 in Zürich. »Das Glasperlenspiel« ist sein letztes, sein wichtigstes und zugleich anspruchsvollstes Werk mit welthistorristischem Hintergrund. In diesem Werk entwarf Hesse die utopische Welt der Geistes-Elite von "Kastalien", einer idealtypischen Republik von Gelehrten, die die höchste Stilisierungsform menschlicher Kultur repräsentiert.

Das Werk stellt einen Gegenentwurf zur antihumanen Herrschaft von Stalinismus und Nationalsozialismus dar, als deren Antipoden sich Hermann Hesse verstand. Nach dem Erscheinen des Buches zog er sich aufgrund seines schlechter werdenden Gesundheitszustandes, vor allem wegen einer zunehmenden Sehschwäche, weitgehend aus dem literarischen Leben zurück. 1946 wurde Hesse für sein Lebenswerk mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

Aus dem ganzen Land werden die besten Schüler rekrutiert, um in Kastalien weiter erzogen und ausgebildet zu werden. So geschieht es auch mit Josef Knecht, der zentralen Figur dieses Romans, der als Waisenknabe aufwächst und durch seine hohe Intelligenz auffällt. Kastalien bietet ihm die Möglichkeit seinen wachen Geist mit den unterschiedlichsten Themen zu beschäftigen. Über verschiedene Stufen steigt er in der Hierarchie nach oben und wird letztlich Magister Ludi, der oberste Meister des sog. Glasperlenspiels.

"Das Glasperlenspiel" vereint in sich alle geistigen und kulturellen Überlieferungen, ist von Musik und Mathematik gleichermaßen geprägt. Knecht, der Magister Ludi, erkennt jedoch bald, dass es nicht reicht, nur das Ererbte zu bewahren – man muss sich mit der Welt verändern. Daher verlässt er den strengen Orden der Glasperlenspieler und wird ein weltlicher Lehrmeister. Aber schon bald scheitert er an der Weltlichkeit und ertrinkt beim Schwimmen in einem See.

Weblinks:

Hermann Hesse-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Literatur:

Das Glasperlenspiel
Das Glasperlenspiel
von Hermann Hesse


Hermann Hesse-Blog:

Hermann Hesse-Blog - hermann-hesse-literatur.blogspot.de

Montag, 18. November 2013

»Der Fremde« von Albert Camus

Der Fremde


»Der Fremde« von Albert Camus erschien am 19. Mai 1942 in Paris und erzählt die Geschichte von einem Mann, der zum Mörder wird, weil ihn die Sonne blendet. Albert Camus, sein Schöpfer, ist der Philosoph des Absurden, in das der Mensch hineingestellt ist, der Denker der Revolte, die den Menschen ausmacht – und immer der Anwalt der Einfachheit, die dem Algerienfranzosen das Grundgegebene unter der Sonne und zugleich das am stärksten Gefährdete war.

Meursault, ein kleiner Büroangestellter in Algier, erzählt seine Geschichte. Den Weg, den er im Roman zurücklegt, veranschaulicht seine Lebensweise. - Nach dem Tod seiner Mutter, der ihn nicht wirklich trifft, nimmt er sich zwei Tage frei, um an der Beerdigung teilzunehmen. Nach der Rückkehr beginnt er eine Liebesbeziehung mit seiner früheren Kollegin Maria. Sein Nachbar Raymond lädt ihn als Dank für eine Gefälligkeit zu einem Strandausflug ein, bei dem es zu einer Auseinandersetzung zwischen Raymond und einem Araber, dem Bruder seiner früheren Geliebten, kommt. Meursault, der Raymonds Waffe an sich genommen hatte, um Schlimmeres zu verhindern, trifft später allein auf den Araber und fühlt sich von dessen in der glühenden Mittagssonne aufblitzenden Messer so bedroht, dass er ihn erschießt.

Im anschließenden Mordprozess wird versucht, die moralische Verdorbenheit Meursaults anhand seines Verhaltens in den Tagen vor dem Mord zu beweisen. Seine Äußerung, er habe den Araber eigentlich gar nicht erschießen wollen, allein die Sonne sei Schuld daran gewesen, wird mit Gelächter quittiert. Die Tröstungen des Gefängnisgeistlichen, der ihm Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod machen will, weist er zurück. Er ist nicht bereit, Reue zu empfinden oder sie zu heucheln, und wird verurteilt. Im Angesicht der Hinrichtung erkennt und akzeptiert er die Absurdität seines Daseins.

Der Fremde

Der Fremde

"Ich begriff, daß ich das Gleichgewicht des Tages, das ungewöhnliche Schweigen eines Strandes zerstört hatte, an dem ich glücklich gewesen war. Dann schoß ich noch viermal auf einen leblosen Körper, in den die Kugeln eindrangen, ohne daß man es sah. Und es waren gleichsam vier kurze Schläge an das Tor des Unheils."


Die Geschichte handelt von einem jungen Franzosen, Meursault, dessen Antriebslosigkeit keine Grenzen kennt. In seinem Persönlichkeitsprofil könnten fast autistische Züge vermutet werden. Sein Verhalten führt zu einem Mord, den er aus Notwehr begeht. Das richterliche Urteil führt aufgrund mehrerer sinnloser Schüsse, die er zusätzlich abgibt, seiner fehlenden Reue und der kompletten Gefühl- und Gottlosigkeit zur Todesstrafe. Selbst der Geistliche, der ihn am Abend vor seiner Hinrichtung aufsucht, wird Zeuge einer schockierenden Gleichgültigkeit gegenüber der Welt.

Die Geschichte eines jungen Franzosen in Algerien, den ein lächerlicher Zufall zum Mörder macht, wurde 1942 im besetzten Frankreich zu einer literarischen Sensation. Der Roman bedeutete den schriftstellerischen Durchbruch für Albert Camus und gilt heute als einer der Haupttexte des Existenzialismus.

»Der Fremde« des französischen Nobelpreisträgers Albert Camus erschien 1942 und wurde als Meisterwerk berühmt. Die Erzählung entstand parallel zu einer philosophischen Abhandlung des Schriftstellers über das Absurde.


Hohes Lob kam vom Gegner: „Er stellt in unserem Jahrhundert, und zwar gegen die Geschichte, den wahren Erben jener langen Ahnenreihe von Moralisten dar, deren Werke vielleicht das Echteste und Ursprünglichste an der ganzen französischen Literatur sind.", so Jean-Paul Sartre über den absurden Roman von Albert Camus.

Über den Mann, der sein Erzfeind war und den Sartre, der eine äußerst unrühmliche Rolle im politisch-philosophischen Streit dieser französischen Intellektuellen in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gespielt hat, einmal als „algerischen Gassenjungen" bezeichnet hat.

Bis heute ist »Der Fremde« eine der berühmtesten literarischen Figuren der Welt. In dem frühen Meisterwerk verkörpert Camus seine Idee des Absurden in der Figur des »Anti-Helden« Meursault, dessen Einzelschicksal ins Symbolische überhöht wird.

Literatur:

Der Fremde

Der Fremde
von Albert Camus

Samstag, 16. November 2013

»Der Mensch in der Revolte« von Albert Camus

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte

»Der Mensch in der Revolte« (franz. »L’homme révolté«), erschienen 1951, ist eine Sammlung philosophisch-politischer Essays des französischen Philosophen und Schriftstellers Albert Camus, der dem Existentialismus zugeordnet wird. Im Unterschied zum vorangegangenen Essay »Der Mythos des Sisyphos« will Camus hier nicht nur „das Übel, welches ein Einzelner erlitt“ schildern, sondern die Entwicklung des Nihilismus zur „kollektiven Pest“ in Philosophie, Politik und politischer Theorie protokollieren.

Diese Sammlung von Essays gleicht einer Parforcejagd durch die Ideengeschichte der Moderne, durch die aus Geschichtsphilosophien aller Spielarten hervorgegangenen politischen Theorien und Praxen. Albert Camus entdeckt hier untergründige Verwandtschaften zwischen scheinbar gegensätzlichen Ideologien; er spitzt die einzelnen Theorien und politischen Strategien bis zum Selbstwiderspruch zu, widerlegt eingefahrene Interpretationen.

Albert Camus setzt seine Überlegungen über die Absurdität und dem Mord mit dem »Menschen in der Revolte« fort. »Der Mensch in der Revolte« ist eine Fortsetzung seines Denkens über die Absurdität des Lebens. Die Revolte ist die Unvernunft und das Unverständnis über das menschliche Leben. Seine Revolte ist die Konsequenz aus der Unvernunft des Lebens. Die Revolte ist die Auflehnung gegen das Absurde. Camus sieht in der Revolte als Mittel zur Überwindung des Absurden.

Albert Camus liefert hier in seinem Essay-Band eine kleine Kulturgeschichte der Revolte. Zuerst beschreibt er die metaphysische Revolte. Der Revoltierende ist jemand, der nein sagt zu den bestehenden Verhältnissen. Er kämpft für seine Unversehrtheit. Die metaphysische Revolte ist der Tausch zwischen dem Regime der Gnade und dem der Gerechtigkeit. Camus beschreibt die Negation Gottes an den Beispielen von Marquis de Sade, John Milton, Iwan Karamasow und Nietzsche. Der Revoltierende setzt sich mit Gott gleich. Daraus folgt, dass er eine neue Weltordnung entdecken muss. Als logische Folge beschreibt er nach der metaphysischen Revolte die historische Revolte.

Zu Beginn war die Revolte eine Loslösung aus der Knechtschaft. Der Sklave wollte die Gleichheit mit seinem Herrn und damit dieselben Rechte haben. Erst die französische Revolution wollte den Bürger als Souverän des Staates haben. Danach war Hegel für die Sozialisten das Maß der Dinge. Seine Dialekt von Herr und Knecht wurde von ihnen bereitwillig aufgenommen. Der individuelle Terrorismus der russischen Nihilisten sorgt in Russland für Chaos und Revolte. Für sie war der Tod der höchste Protest. Camus zeigt, dass jeder politische Umsturz durch ein neues Gewaltsystem ersetzt wurde. Dieser Terror fand mit dem Dritten Reich und den sowjetischen Konzentrationslager seinen Höhepunkt.

In Camus' umstrittenem Werk, wegen dem sich sein langjähriger Freund Jean-Paul Sartre von ihm abwandte, vertritt er die Überzeugung, dass die gesamte Periode nach der französischen Revolution durch den Nihilismus geprägt wurde und ihn bis heute nicht überwunden hat. Camus entzieht sich den Dogmen der Extreme und versucht, das in unserer Zeit verloren gegangene Maß wiederzufinden. Er relativiert, indem er eines nicht relativiert, und zwar den Wert des Lebens.

Albert Camus verkörperte das Pathos der Revolte. Der Existenzialist versucht dem Leben wieder einen schöpferischen Wert zu geben, doch nicht durch Religion, sondern durch Rückbesinnung auf die menschliche Schöpferkraft, dem Menschen als Künstler. Aber auch als Politiker, der in der Revolte sein Ausdrucksmaß gegen die Ungerechtigkeit in der Welt findet, aber deshalb nicht zum Misanthrop und Massenmörder wird. Wer nach Camus gegen ein ungerechte Welt revoltiert, kann sich auf seine menschliche Schöpferkraft berufen - er feiert, wie zuvor schon Friedrich Nietzsche, den Menschen als Künstler.

Weblinks:

Albert Camus-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Albert Camus-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de


Existenzialismus - Wikipedia

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte
von Albert Camus

Donnerstag, 14. November 2013

Albert Camus als »Vordenker des Absurden«

Albert Camus entwarf mit seinem philosophischsten aller Bücher, dem »Mythos von Sisyphos« eine Denkhaltung und Lebensweise zur Überwindung des Absurden in der Welt. Zunächst führt dieser »Vordenker des Absurden«, der mit dem Hammer der Sinnlosigkeit philosophierte, die an den Epikureismus angelehnte Philosophie auf ihre eigentliche existenzielle Kernfrage zurück. Deren Ursprung liegt einzig und allein in der Frage, ob das Leben die Mühe gelebt zu werden oder nicht wert sei. Es ist für ihn dies, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Bei der Suche nach einer Antwort auf die Kernfrage entdeckt er, dass wir als Menschen die einzigen Wesen auf dieser Erde sind, die einen Sinn suchen. Einen Sinn, der alles zusammenhält, in den sich alles - Freude wie Leid - fügt. Aber eben diesen Sinn kann uns die Welt niemals geben, er wird noch in der heilen Kleinstadtwelt eines Tages grausamst verneint und der Mensch wird eiskalt auf sein lächerliches Sinnstreben zurückgeworfen. Auch Gott kann diesem Sinnstreben keine Erfüllung geben. Und auch der Selbstmord nicht.

Vielmehr muss der Mensch sich mit der Sinnleere der Welt, mit der Absurdität des Daseins abfinden. Jeden Tag muss er aufs Neue mit einem höhnischen Trotzdem beginnen, mit jenem "heiligen Ja", von dem auch Nietzsche schon gesprochen hat. Nur wenn wir die Sinnlosigkeit der Welt hinnehmen und zugleich einen unendlichen Kampf mit ihr führen, nur dann wird sich das Leben erfüllen.


Erst in diesem Kampf, in dieser Auflehnung findet der Mensch zurück zu sich selbst und wird gar zu höchster Vollkommenheit angeregt. Der Kampf gegen das Absurde führt zu einer Erhebung und Erhöhung des Menschen - und in diesem verlorenen Kampf stellt sich Glück und Zufriedenheit ein, bis die Auflehnung am nächsten Tage wieder beginnt.

Das Absurde ist, wie es in seinem Roman »Der Fremde« heißt, "die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt". Es ist ein Paradox: das Einverständnis mit dem Schicksal, Glück selbst in der größten Hoffnungslosigkeit, eine "verzweifelte Erhabenheit". Bei Unbehaustheit, Einsamkeit und Leere bleibt Camus nicht stehen. Im zweiten Schritt fordert und vollzieht er die Auflehnung gegen das Absurde.

Der absurde Mensch rechnet zwar nicht mit der Zukunft, sondern eher mit dem Tod. Daraus resultiert aber gerade Lebenslust und -besessenheit, der absurde Mensch "hat es eilig, seine Zeit ist jetzt". Der absurde Mensch lebt im "Hier und Jetzt", er ist kein Aufschieber seines Lebens in eine ferne Zukunft. "Das Leben", schreibt der Epikureer Camus, "erleuchtet uns auch mit einem plötzlichen und verrückten Glück, das uns teilhaben lässt."

Camus lehnt sich mit seiner »Philosophie des Augenblicks« eng an Epikur an. Schon der antike Philosoph Epikur vertrat eine Ethik, die Lust als höchstes Gut ansah und das Glück als Ziel, dazu die seelische Ausgeglichenheit und das frei sein von Schmerzen. Wie der Epikureismus war auch der Stoizismus eine diesseitig orientierte Philosophie ohne transzendente Elemente im Sinne konkreter Jenseitsvorstellungen.

Weblinks:

Albert Camus-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Epikureismus - Wikipedia

Blog-Artikel:

Albert Camus zum 100. Geburtstag

»Der Mythos von Sisyphos« von Albert Camus
»Der Mensch in der Revolte« von Albert Camus

Mittwoch, 13. November 2013

Peter Härtling zum 80. Geburtstag

Peter Härtling

Peter Härtling wurde vor 80 Jahren am 13. November 1933 in Chemnitz geboren. Peter Härtling, ein bekannter deutscher Schriftsteller, Lyriker, Kinderbuchautor und Essayist.

Sein Weg nahm im sächsischen Chemnitz seinen Anfang bevor er ihn als Flüchtlingskind nach Mähren und Österreich führte, bis er 1946 als Frühwaise im württembergischen Nürtingen - "meine Gegend für immer" - seine Heimat fand.

Peter Härtling hat sich mit seinem Werk in die Herzen von Kindern und Erwachsenen geschrieben. Mit mehr als 25 Kinder- und Jugendbüchern, 30 Roman-Biografien und anderen Prosa-Stücken hat er sich eine Lesergemeinde quer durch alle Generationen geschaffen.

Härtling hat die eigene Geschichte immer wieder zum Thema gemacht. 1933 in Chemnitz geboren und mit der Familie nach Mähren übergesiedelt, flüchtete er nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit seiner Mutter. Der Vater stirbt 1945 in russischer Gefangenschaft. 1946 kommt die Familie ins schwäbische Nürtingen. Die Mutter nimmt sich das Leben.

Ein Pfarrer, ein Maler, ein Lehrer - feine und liberale Nürtinger Geister nahmen den Frühwaisen damals unter ihre Fittiche. Mithilfe dieser wunderbaren Menschen fand er den Weg ins Schreiben. Schon bald empfing Nürtingen die ersten Verse eines spindeldürren Jungen.

Härtling arbeitete als Journalist, Lektor und seit 1974 ist er freier Schriftsteller. Härtlings Romane tragen meist autobiografische Züge und haben häufig politischen Charakter, wie z.B. "Niembsch oder Der Stillstand" (1964) oder "Schubert" (1992).

In seinen Kinderbüchern, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurden, geht es meist um die Rolle des gesellschaftlichen Außenseiters und um verantwortungsvolles Handeln "Ben liebt Anna" (1986).

Seine größten Fans sind die Kinder, ihr Optimismus gibt dem heute 80-jährigen Peter Härtling Kraft. 2013 veröffentlichte der beliebte Schriftsteller seinen neuen Band "Tage mit Echo". Sein neuer Band mit vielen Echos, die aus der Vergangenheit herüberklingen, wie das „Petr“ von Härtlings mährischer Großmutter – ist ein ausgezeichnet gebauter Zweiteiler über letzte Bücher und über letzte Tage.

"Kein Autor weiß, ob es tatsächlich auch sein letztes Buch sein wird", sagt Härtling. Seinen neuen Band betrachtet er dabei nicht als "letztes Buch".

Weblinks:

Tage mit Echo: Zwei Erzählungen von Peter Härtling
Ben liebt Anna von Peter Härtling

Montag, 11. November 2013

»Der Mythos von Sisyphos« von Albert Camus

Der Mythos von Sisyphos


Albert Camus Essay »Der Mythos von Sisyphos« ist 1942 Mitten im Krieg erschienen. Der Existenzialismus, der in diesem Text seine vielleicht repräsentativste Ausformulierung erfährt, entsprach einem Lebensgefühl, das von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, des politischen Widerstands in der Résistance und des Zerfalls traditioneller Wertordnungen und Orientierungen geprägt ist.

In seinem Versuch über das Absurde - so der Untertitel - greift Camus in bester französischer Essay-Tradition poetisch und philosophisch die Erschütterungen seiner Zeit auf. »Der Mythos von Sisyphos« ist ein Stück Philosophie, das auf eine wirklich entscheidende Frage auch eine klare Antwort gibt. Die Frage: Lohnt es sich überhaupt, zu leben, wenn dieses Leben vollkommen absurd ist?

Dieser Essay ist der Versuch, dem Sinnlosen und Absurden in einer absurden Welt durchaus einen Sinn zu geben. Es findet seinen Ausdruck in einer besonderen Sensibilität für die Absurdität der menschlichen Existenz, die für diese Generation von Philosophen charakteristisch ist. Sie entspringt dem Gegensatz zwischen dem selbstbewussten, von Hoffnungen erfüllten und in Handlungen sich entäußernden menschlichen Geist und der ihm gegenüberliegenden undurchdringlichen, immanenten Welt, an der sein Streben immer wieder scheitert. Diese Absurditätserfahrung wirft die Frage nach Sinn und Wert des menschlichen Lebens auf.

Sisyphos antiker Held

Der "Held" des Absurden ist Sisyphos, eine Figur aus der griechischen Mythologie, der laut Camus als von den Göttern bestrafter sein Schicksal meistert. Durch die Betrachtung des Schicksals von Sisyphos "entdeckte" Camus eine "ewige Auflehnung" des Menschen gegen die "Bedingungen seines Daseins". Darin gleicht der Mensch der mythologischen Figur des Sisyphos, dessen Tun gerade in seiner äußersten und beharrlichen Sinnlosigkeit als Selbstverwirklichung erscheint -- wenn es denn gelingt, wie Camus schreibt, sich Sisyphos glücklich vorzustellen.

Albert Camus

Albert Camus ist ein moderner Sisyphos, und wie wir dank ihm wissen: »Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen". - Wir sind so daran gewöhnt, von der Absurdität unserer Existenz zu sprechen, dass wir vergessen haben, mit welcher einmaligen Intensität und Klarheit Albert Camus sie Anfang der 1940er Jahre literarisch in Szene setzte.

Der "Vordenker des Absurden" hat den antiken Helden Sisyphos entmythifiziert. Sisyphos und sein Stein sind seit Camus kein Mythos mehr und wir ahnen es bereits: »Wir alle sind Sisyphos. Wir sind der neuzeitliche Sisyhos.« - Wir modernen Menschen ruckeln alltäglich immer wieder den Stein den Berg hinauf und sehen ihn dann ins Tal stürzen. Manchmal können wir uns - befreit von der Last - mit dem talwärts rollenden Stein auch einen glücklichen Menschen nennen.

Camus verwirft jeden Versuch, die in eindringlichen Schilderungen diagnostizierte Absurditätserfahrung durch einen Sprung in metaphysische, religiöse oder rationalistische Versöhnungsangebote zu bewältigen. Einen Weg bietet nur die permanente Revolte des Menschen gegen die Absurdität, in der er unabhängig von jeder gesetzten Wertordnung seine eigentümliche Würde zu gewinnen vermag.

So bietet Camus Essay einen Ansatz zu einer neuartigen Ethik, die auf der Idee der entschlossenen Tat und der daraus resultierenden größtmöglichen Lebensintensität beruht. An deren Nutzlosigkeit kann, so Camus, angesichts der Absurdität des Daseins kein Zweifel bestehen, doch vermag der Mensch in der Revolte eine besondere Verwirklichung seiner selbst zu erfahren. Darin gleicht der Mensch der mythologischen Figur des Sisyphos, dessen Tun gerade in seiner äußersten und beharrlichen Sinnlosigkeit als Selbstverwirklichung erscheint -- wenn es denn gelingt, wie Camus schreibt, sich Sisyphos glücklich vorzustellen.

Literatur:

Der Mythos von Sisyphos
Der Mythos des Sisyphos
von Albert Camus

Blog-Artikel:

Albert Camus zum 100. Geburtstag

Albert Camus als »Vordenker des Absurden«

»Der Mensch in der Revolte« von Albert Camus

Sonntag, 10. November 2013

"Arturo Ui" von Bertolt Brecht 1958 uraufgeführt

Unter der Regie von Peter Palitzsch wurde "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" am 10.11.1958 in Stuttgart uraufgeführt. Palitzsch war seit 1950 Mitarbeiter von Brecht am Berliner Ensemble, von 1966 bis 1971 Schauspieldirektor in Stuttgart.

Bertolt Brecht schrieb das Stück im März 1941 im finnischen Exil in nur drei Wochen nieder. Seine berühmte Parabel auf den Nationalsozialismus persifliert in der Figur des Gangsterbosses Arturo Ui die Person Adolf Hitlers und die Mechanismen seiner Machtergreifung am Beispiel Chicagos. Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui zeigt den Aufstieg Hitlers zur Macht bis zum Jahre 1938.

Bertolt Brecht schrieb mit dem »Arturo Ui« ein veritables Gangster-Stück und siedelt die Handlung dieses Stücks, das eine Parabel auf den Aufstieg Hitlers ist, in der Chicagoer Unterwelt an. Die Gemüsehändler der Stadt stecken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Karfiol-Trust zieht den namhaften und als ehrlich bekannten Bürger Dogsborough in dunkle Geschäfte hinein, um durch seine Fürsprache an städtische Gelder zu kommen.

Arturo Ui

Die Nazi-Größen erscheinen als Chicagoer Gangster und Gauner. Der kleine Gauner Arturo Uí bekommt Wind von dieser Sache und nutzt die Situation, um sich an die Spitze des Karfiol-Trusts zu setzen und von dort aus auch die Gemüsehändler anderer Städte unter seine Knute zu zwingen.

Die Nazis als Gauner reden in den glatten Jamben des deutschen klassischen Dramas. Durch die doppelte Verfremdung werden die Ereignisse jener Jahre erkennbar nicht als schicksalhaftes Verhängnis, sondern als die Konsequenz der herrschenden Verhältnisse.

Indem er Hitler und seine Kumpane der Lächerlichkeit preisgibt, nimmt Brecht ihnen jenen Zug des Dämonischen, den sie für viele auch heute noch zu besitzen scheinen. Die Parabel stellt klar, daß der Faschismus kein historischer Einzelfall war: Faschismus ist die noch immer mögliche Fortsetzung der Geschäfte mit anderen Mitteln.

In den Rezensionen des Stückes findet sich sehr früh der Vergleich zwischen Charlie Chaplins "Der grosse Diktator" und der Figur des einen etwas seltsamen Namen tragenden Arturo Ui. Wohl nicht zu Unrecht, Brecht hatte Chaplin 1941 im Exil kennengelernt.

Weblinks:

Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui von Bertolt Brecht

Ausgewählte Werke in sechs Bänden von Bertolt Brecht

Der grosse Diktator von Charlie Chaplin

Samstag, 2. November 2013

»San Miguel« von T.C. Boyle

In dem neuen Roman »San Miguel« von T.C. Boyle geht es auf die Pazifik-Inseln vor der kalifornischen Küste. San Miguel gehört zu den vor der Küste Santa Barbaras gelegenen Channel-Islands, meilenweit draußen im Pazifischen Ozean.

Die kalifornische Insel San Miguel ist dreizehn Kilometer lang und bis zu sechs Kilometer breit. Von 1850 bis 1948 brachten Viehzüchter Schafe auf die Insel, später nutzte die US Navy die Insel. Heute ist San Miguel Bestandteil des Channel-Islands-Nationalparks.

Karte der Kanalinseln


"Ich sehe die Insel von meinem Fenster."
T.C. Boyle
San Miguel
Weil sie mal Orte abwegiger Idealisten oder Gestrandeter waren, sind sie literarisch interessant, in der Realität jedoch weitaus weniger und für Besucher kaum von Wert. San Miguel ist eine baum- und strauchlose Enttäuschung. Die Inspiration für seinen Roman fand der Autor vor der Haustür, denn die Insel San Miguel kann er als seine Romanvorlage von seinem Haus an der Küste Kaliforniens sehen.

Boyle verwendet für seine Romane oft historische Vorbilder. In »San Miguel« sind es drei Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten auf der ansonsten unbewohnten kalifornischen Insel San Miguel gelebt haben. Bei Recherchen zum Roman »Wenn das Schlachten vorbei ist« lernte er die Lebensgeschichten der drei Frauen kennen, die tatsächlich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts dort, wo kein Baum wächst und die Sonne selten scheint, ihr Glück mit der Schafzucht versuchten.

San Miguel Insel

Mitten in diese strauchlose Ödnis platziert Boyle seine Handlung. Den Anfang macht die schwindsüchtige Marantha, die 1888 mit ihrem herrschsüchtigen Mann Will, der dort von der Wolle von 4000 Schafen leben will, auf die Insel kommt. Die gute Luft, so glaubt er, werde sie heilen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Marantha geht es immer schlechter, und sie erträgt die raue Situation auf der Insel nur äußerst schlecht.

"Das Paradies ist eine Insel. Die Hölle auch."

Der zweite Teil widmet sich der Adoptivtochter des Paares, Edith. Weil sie noch nicht volljährig ist, zwingt Will sie nach Maranthas Tod, ebenfalls mit ihm auf der Insel zu leben. Doch sie setzt sich mit allen Mitteln zur Wehr und plant die Flucht. Erst Elise, die viele Jahre später mit ihrem Mann auf die immer noch unwirtliche Insel zieht, scheint dort ihr Glück zu finden.
Ein historischer Roman, der in seinen Dialogen zwar nicht den Boyle-typischen ironischen Ton pflegt, aus drei Perspektiven aber sehr gekonnt beleuchtet, wie die Isolation diese drei Frauen verändert, wie Hoffnung sie treibt, Enttäuschung sie hart macht und Einsamkeit sie verstummen lässt.

"Ich will meine Figuren leiden sehen."
T.C. Boyle
T.C. Boyle hat mit »San Miguel« einen dichten, phasenweise beklemmenden Roman geschaffen. Ein stilles, ruhiges Meisterwerk auf gewohnt hohem Niveau, das allerdings nicht jedem gefallen wird. »San Miguel« ist ein stilsicher geschriebener Roman, dessen Erzählstrom stetig und ruhig dahinfließt, ohne die ganz großen Höhepunkte zu bieten.

Dass, was T.C.Boyle in die insulare kalifornische Ödenei gezaubert hat, ist durchaus bemerkenswert. Dem großen Erzähler T.C. Boyle gelingt es meisterhaft, in dieser großen Saga das Schicksal dreier starker Frauen auf der einsamen Insel lebendig werden zu lassen. Mit bald 65 Jahren, scheint er allerdings ruhiger, abgeklärter und melancholischer geworden zu sein.

Weblinks:

T.C. Boyle-Portal - www.tcboyle.de

Fotos, Berichte, Zitate aus Zeitungsmeldungen, Links und Videos - www.tcboyle.de

San Miguel Island - Wikipedia

Sabine Schmidt über T.C. Boyle und »San Miguel« - www.rp-online.de/kultur

Facebookseite von www.tcboyle.de - Facebook-Seite

San Miguel
San Miguel
von T.C. Boyle